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Die vier Grundbedürfnisse nach Grawe | 2. Orientierung, Kontrolle & Autonomie

Aktualisiert: 13. Mai 2022


Das Bedürfnis nach Kontrolle wird uns schon mit der Geburt mitgegeben. Jedoch entwickeln wir alle mit der Zeit ein unterschiedlich großes Bedürfnis danach. Während sich einige von uns nur wohl fühlen und leistungsbereit sind, wenn sie eine ganz klare Struktur und Regelmäßigkeit im Alltag haben, spielt das für Andere eine weniger wichtige Rolle.


Wesentliche Einflussgrößen dafür sind unsere aktuellen sozialen und finanziellen Lebensumstände und die sich damit ergebenen Zwänge, Notwendigkeiten, Bindungsverhältnisse, Möglichkeiten, aber auch unser individueller Wissens- und Erfahrungsschatz sowie Gesundheitszustand.


Nach Grawe ist „das Kontrollbedürfnis ein Bedürfnis, etwas zu können, was zur Herbeiführung und Aufrechterhaltung der eigenen Ziele wichtig ist. Es bezieht sich (…) auf den Kompetenzaspekt der psychischen Aktivität. (…) Etwas nicht im Sinne eigener Ziele kontrollieren zu können, was einem sehr wichtig ist, stellt eine schwerwiegende Verletzung des Grundbedürfnisses nach Kontrolle dar.“.


Das Bedürfnis nach Autonomie, des „alles allein machen zu wollen“, ist besonders während unserer motorischen Entwicklung vom Baby zum Kind ausgeprägt. In diesem Sinne treten aber auch im Jugend- und Erwachsenenalter immer wieder einmal Phasen des Autonomiestrebens auf, insbesondere dann, wenn wir nicht wirklich so „frei“, also eigenständig, selbstbestimmt und eigenverantwortlich agieren und leben können, wie wir es uns wünschen.



Ja, ich kann mein Leben gestalten!

Das Bedürfnis nach Kontrolle und Autonomie ist eng mit der Grundüberzeugung verbunden, inwieweit das Leben einen Sinn macht, inwiefern man darauf Einfluss nehmen kann und im Einklang mit seinen eigenen Werte handelt. Wird dieses Bedürfnis länger nicht erfüllt, fühlen wir uns oft unsicher, abhängig hilflos und gefangen. Frage dich daher ab und zu wieder einmal, inwieweit du aktiv Einfluss auf dein aktuelles Leben nehmen kannst. Reflektiere dazu verschiedene Ereignisse und Situationen innerhalb deines Alltags und schaue dir an, ob du in diesen Fällen selbstbestimmt und eigenverantwortlich entscheiden, handeln und agieren konntest. Inwieweit hältst du also die „Fäden des Lebens“ (noch) in deinen Händen?

Weiterhin prüfe für dich, wie autonom und selbstkontrolliert du dich in Wirklichkeit gerade fühlst und bewertest. Stelle dich dazu vor einem Spiegel, schaue dir selbst in die Augen, atme zwei, dreimal tief ein und aus und sage laut zu dir: „Ich kann mein Leben gestalten.“ Prüfe danach emotional sofort, wie sich diese Aussage von dir für dich anfühlt.

Die Grundüberzeugung „Ich habe die Dinge in der Hand und kann diese auch beeinflussen. Weil ich dafür über ein ausreichendes (Erfahrungs-)wissen verfüge.“ hilft im Alltag Probleme aktiv angehen und lösen zu können. Daher lohnt es sich auch, um die Erfüllung des Grundbedürfnisses Kontrolle, Orientierung und Autonomie immer wieder zu ringen.


Therapeutisch gesehen hängen viele psychischen Probleme mit dem Bedürfnis nach Kontrolle zusammen. Entsprechend des Konzeptes der erlernten Hilflosigkeit nach Seligman kann ein massiver und wiederkehrender Kontrollverlust zu Resignation und Depression führen. Kommt es in der Kindheit bereits zu immer wiederkehrenden Kontrollverlusten, dann ist das Risiko, im Erwachsenenalter an Anpassungsstörungen, Posttraumatischen Belastungsstörungen, Angststörungen sowie Zwangsstörungen zu leiden, nachweislich erhöht.


Nimm dir einen Moment, um folgende Frage zu beantworten:


Achte im Alltag auf die Befriedigung deiner vier wesentlichen Grundbedürfnisse und mache täglich etwas dafür. Dies ist eine wesentliche Quelle für ein glückliches, zufriedenes und erfülltes Leben. Selbstverständlich kannst du nicht 24/7 an allen gleichzeitig arbeiten und es gibt Situationen im Leben, da lässt sich das ein oder andere nicht so leicht umsetzen. Doch das wichtigste ist, dass du dir deiner Bedürfnisse gewahr bist, sie kennenlernst und für dich selbst herausfindest, was dir hilft, diese zu befriedigen.

 

Literatur:

Grawe, K. (2002). Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe.

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